30.05.2006

Landgericht Magdeburg bestätigt die Entscheidung zum okonomischen Abfall

Ich hatte hier vor einiger über eine Entscheidung des Amtsgerichts Schönebeck gegen eine Autohändlerin berichtet. Heute fand nun die Berufungsverhandlung statt.

Leider hat das LG die Berufung verworfen. Es interessierte dort nicht weiter, daß keine konkreten Feststellungen dazu getroffen wurden, ob der Austritt von Betriebsflüssigkeiten nun aufgrund poröser Leitungen o. ä. drohte oder nicht. Ein solch konkretes Drohen hat das OLG Schleswig in einer Entscheidung mal verlangt.

Es störte sich auch nicht daran, daß die Autos in den Augen der Angeklagten noch verwendbar waren, was die Frage nach dem Vorsatz aufwirft.

Nun gut, Revision ist eingelegt und ich warte auf die schriftlichen Urteilsgründe.

Neue Vorwürfe gegen US-Truppen im Irak

sueddeutsche-online berichtet über einen möglichen neuen barbarischen Akt der US-Truppen im Irak. Dort heißt es:

"Gerade erst hat US-Präsident Bush Abu Ghraib als "schlimmsten Fehler" seit Beginn des US-Feldzugs bezeichnet. Doch der Name der Stadt Haditha könnte größere Schande über die US-Truppen bringen. Dort sollen US-Soldaten 24 Zivilisten aus Rache getötet haben.

Jack Murtha, der Vietnam-Veteran und prominenteste Irak-Kriegsgegner unter den Kongressabgeordneten, hat sein Urteil bereits gefällt: "Das war Mord" wettert der Demokrat, "dies ist schlimmer als Abu Ghraib."

Gerade erst vorige Woche hatte US-Präsident George W. Bush eingestanden, der Skandal um Folter und Misshandlung irakischer Gefangener in dem Militärgefängnis nahe Bagdad sei "der schlimmste Fehler" seit Beginn des US-Feldzugs gewesen. Doch könnte ein anderer Ortsname noch größere Schande über die US-Truppen bringen - Haditha."

Offenbar wiederholt sich die Geschichte. Auch in Vietnam hat es Massaker an Zivilisten gegeben.

29.05.2006

Amtsgericht Braunschweig: Freispruch für Türsteher

Eine alltägliche Situation in einer Disko: ein Gast, der vom Inhaber wegen ungebührlichen Verhaltens Hausverbot bekommen hatte, sollte von zwei Türstehern nach draußen befördert werden. Mein Mandant, eine imposante, weil völlig durchtrainierte, Erscheinung von 1,93 m Größe und sein Kollege mit 1,70 m zwar etwas kleiner, aber nicht minder muskulös, machten sich ans Werk.

Der ungebetene Gast leistete erst passiven und später auch aktiven Widerstand, geriet dabei wohl ins Stolpern und stieß mit dem Kopf gegen eine Wand. Eine blutende Platzwunde an der Stirn war die Folge. Er und seine Trinkfreunde waren sich an Ort und Stelle sicher, daß es mein Mandant war, der ihn absichtlich gegen die Wand geschubst hat. Ein Strafbefehl wegen Körperverletzung war die Folge.

In der Verhandlung machte mein Mandant mächtig Eindruck auf die junge Richterin ("Mit ihnen möchte ich mich nicht anlegen!") und erzählte seine Geschichte ruhig und nachvollziehbar. Ihm kam zugute, daß er sich gut auszudrücken wußte und als Student nicht dem Klischee des hirnlosen Bodybuilders entsprach.

Der Geschädigte erzählte seine Version, konnte sich aber nicht auf die Person desjenigen festlegen, wer ihm den Schubs gegeben hat. Der Kollege meines Mandanten berichtete übereinstimmend mit der Version des Angeklagten.

Die Richterin meinte danach, daß sie die weiteren Zeugen nicht mehr unbedingt hören müßte, mein Mandant sei es wohl nicht gewesen, wenn es den Schubs tatsächlich gegeben hätte. Entspannung machte sich auf der Verteidigerbank breit. Die übrigen Zeugen wurden entlassen.

Allerdings merkte der Geschädigte, der im Saal verblieben war, kurze Zeit später an, daß doch seine Freunde alles ganz genau gesehen hätten und den Vorgang schildern könnten. Bei der Vorsitzenden kam Unruhe und bei mir ein ungutes Gefühl auf. Sollte der Fall doch noch eine unglückliche Wendung nehmen?

Der Geschädigte wurde hinter den entlassenen Zeugen hergeschickt, er fand sie an der Zeugengeldzahlstelle. Einer nach dem anderen wurde dann vernommen und bestätigten den Schubs, durch den der Geschädigte an die Wand flog.

Allerdings habe nicht der Angeklagte sondern sein Kollege geschubst. Erleichterung und Freispruch für meinen Mandanten, meine Gebühren trägt der Staat.

Ob nun gegen den Kollegen das Verfahren durchgezogen wird, könnte eventuell Gegenstand für einen Bericht an anderer Stelle werden.

Drohendes Fahrverbot und Arbeitsplatz

Bescheinigung des Arbeitgebers muß aussagekräftig sein

Sehr häufig wird in Fällen eines drohenden Fahrverbots der Versuch unternommen, dieses mit einer drohenden Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu vermeiden. Meist wird dann eine Bescheinigung des Arbeitgebers vorgelegt. Hier ist jedoch, nach einer Entscheidung des OLG Hamm vom 16.02.2006 (Az. 3 Ss OWi 852/05), besondere Sorgfalt erforderlich:

"Der Bescheinigung des Arbeitgebers, die sich mit den beruflichen Folgen eines gegen den Betroffenen zu verhängenden Fahrverbots befasst, muss zu entnehmen sein, dass es bei einer Anordnung des Fahrverbots zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses kommen würde. Es ist nicht ausreichend, wenn sich dem Schreiben nur die Möglichkeit einer Kündigung im Falle der Verhängung eines Fahrverbots entnehmen lässt."

Man sollte daher als Verteidiger ernsthaft in Betracht ziehen, einen Antrag auf Vernehmung des Arbeitgebers als Zeugen zu stellen, damit der Inhalt des Schreibens notfalls hinterfragt und die Ernsthaftigkeit der drohenden Folgen deutlicher wird.

27.05.2006

Reine Artistik

Ein Mandant von mir muß ein wahrer Artist mit brillianter Körperbeherrschung und dem richtigen Gefühl für sich bewegende Gegenstände sein.

Er ist u. a. angeklagt, gemeinsam mit einem anderen jemanden vom Fahrrad geschubst zu haben. Das wäre ja für sich betrachtet nicht besonders erwähnenswert, wenn es nicht auf eine besondere Weise passiert sein soll.

Ein Bericht darüber ist etwas schwierig, weil das angebliche Opfer mindestens 3,5 verschiedene Versionen des Tatablaufs in das Verfahren gebracht hat, davon allein 2,5 in der Beweisaufnahme. Einmal will er mit dem Fahrrad langsam gefahren sein, mein Mandant sei an ihn herangetreten, hätte die Bremse am Lenker betätigt und ihm gleichzeitig einen Tritt in die Rippen versetzt. Dadurch sei er auf die Straße gestürzt, wo ein Golffahrer gerade noch bremsen konnte. Das war die Aktenversion.

In der Verhandlung variierte seine Geschichte dann insoweit, daß es mal eine wilde Verfolgungsjagd mit den Angeklagten gegeben hätte, wobei dann mein Mandant ihn eingeholt, während der Fahrt das Rad des Opfers mit der Bremse gebremst und ihm den ominösen Tritt in die Seite versetzt hätte. Wohlgemerkt: das alles bei voller Fahrt und ohne Sturz meines Mandanten!

Der andere Angeklagte sei auf der anderen Seite neben ihm gefahren und hätte dem ersten Angeklagten dabei geholfen. Merkwürdigerweise ist der zweite Angeklagte aber nicht mit auf die Straße gestürzt.

Wir Verteidiger waren uns ziemlich sicher, daß derartige Münchhausiaden nicht zu einer Verurteilung reichen würden, nachdem in den Plädoyers noch einmal plastisch dargestellt wurde, daß dies alles schon physikalisch ausgesprochen unwahrscheinlich bis unmöglich ist.

Weit gefehlt: das AG Braunschweig hat gnadenlos verurteilt und nur gemeint, daß es normal sei, wenn sich ein Opfer nicht mehr an alle Einzelheiten und den genauen Geschehensablauf erinnern würde. Dem stand auch nicht entgegen, daß das Gericht Aussagen des Zeugen bezüglich anderer Taten nicht geglaubt und deshalb teilweise freigesprochen hat.

Nun denn, Rechtsmittel ist eingelegt.

Amoklauf in Berlin

Gestern berichtete der Kollege Siebers in seinem blog über eine Schießerei im US-Kongress und äußerte die Befürchtung, daß das hier wohl bald Nachahmer finden könnte.

Er ist nicht nur ein hervorragender Strafverteidiger mit gefürchteter Zunge, sondern hat wohl auch prophetische Gaben ;-)

Wie die Süddeutsche in der online-Ausgabe berichtet, hat in Berlin ein 16-Jähriger mit einem Messer 28 Menschen mit Messerstichen zum Teil schwer verletzt. Sechs Personen wurden nach Polizeiangaben schwer verletzt. 24 Menschen seien in verschiedene Krankenhäuser gebracht worden. Insgesamt 15 Personen würden noch stationär behandelt. Weitere neun seien ambulant versorgt worden. "Ein zunächst in Lebensgefahr schwebendes Opfer ist inzwischen außer Lebensgefahr", heißt es im Polizeibericht.

Der Vorfall ereignete sich am Rande der Eröffnungsfeier für den neuen Hauptbahnhof.

26.05.2006

Derbe Schelte an Gericht und Verteidiger im Mordfall Karolina

In der Druckausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 26.05.2006 läßt der Schreiber kaum ein gutes Haar am Vorsitzenden Walter Weitmann und dem Verteidiger von Zaneta C., Herrn RA Ralf Schönauer. C. war, wie der weitere Angeklagte auch, zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden. (weitere Einzelheiten)

Für C. hatte die Staatsanwaltschaft im erneuten Verfahren eine Freiheitsstrafe von acht Jahren gefordert und dabei strafmildernd das Geständnis aufgeführt. Dieses Geständnis hatte maßgeblich zur Aufklärung des Falles beigetragen. Gänzlich unbeeindruckt davon war das Gericht, laut SZ hätte es wohl auch ohne ihr Geständnis verurteilt. Der Verfasser des Artikels, Hans Holzhaider, klassifiziert die Befragung der Angeklagten C. als "ungewöhnlich". Er schreibt dazu:

"Die Befragung der Angeklagten Zaneta C. wurde von Weitmann in einem Tonfall geführt, der einen Verteidiger, der seinen Beruf ernst nimmt, auf die Barrikaden hätte treiben müssen. >>Sie können noch so viel erzählen, der BGH sagt, man muß nicht alles glauben, und so wird es die Kammer auch halten<<, sagte Weitmann an einer Stelle. Deutlicher kann man nicht mitteilen, daß man die Wahrheit schon zu kennen glaubt, bevor noch der erste Zeuge aufgerufen ist."

Jeder ernsthafte Verteidiger hätte an dieser Stelle um eine Unterbrechung gebeten, um einen unaufschiebbaren Antrag formulieren zu können, also eine Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit. Aber was machte der Verteidiger?

"Aber Verteidiger Ralf Schönauer blieb still und stumm auf seinem Platz und rührte keinen Finger."

Unweigerlich drängt sich die Frage nach dem "warum" auf. Warum hat er nicht das gemacht, was in einer solchen Situation zwingend gewesen wäre? Vielleicht wußte und konnte er es nicht besser. Vielleicht hatte er Angst vor der Reaktion des Publikums und der Presse. Vielleicht hat er dem Vorsitzenden insgeheim zugestimmt.

Wenn eine der genannten Alternativen zutreffen sollte, sollte er erwägen, künftig die Finger von der Strafverteidigung zu lassen. Wer als Verteidiger nicht bereit ist, ohne zu zögern den entscheidenden Antrag zu stellen (und bei einem Befangenheitsantrag ist jedes Zögern tödlich) und sich dabei möglicherweise von sachfremden Motiven leiten läßt, macht etwas falsch.

Jede(r) Angeklagte hat das Recht auf die bestmögliche Verteidigung, so schlimm die Tat auch gewesen sein mag. Wer als Verteidiger, natürlich auch als Verteidigerin, dies nicht leisten kann oder will, soll Steuerrecht oder Bankenrecht machen.

Aber auch das Gericht bekommt noch was ins Gebetbuch geschrieben. Der Artikel endet wie folgt:

"Ja was ist das für eine Frau? Wie ist sie geworden, was sie ist? Das hat das Münchner Gericht leider nicht aufgeklärt. Es hat nicht einmal den Versuch unternommen. Eine Lügnerin ist sie eben. Das hat dem Gericht bereits genügt."

Offenbar haben es sich einige Beteiligte in diesem Prozeß sehr einfach gemacht.

Verwaltungsgericht Hannover: Gebühr für Waffenschein-Kontrolle unzulässig

Die Region Hannover prüft in regelmäßigen Abständen auf der Grundlage des Waffengesetzes, ob der jeweilige Inhaber noch zuverlässig und persönlich geeignet ist. Dafür dürfen dann die Betroffenen nicht nur einen Fragebogen ausfüllen, sondern auch noch 25,56 EUR berappen.

Dagegen haben sich nun einige Sportschützen mit Erfolg vor dem VG Hannover zur Wehr gesetzt. Nach dem Urteil sei die Überprüfung eine Verwaltungsmaßnahme, die nach außen nicht zu erkennen ist und ein reines Verwaltungsinternum bleibe. Dafür dürfe aber kein Geld verlangt werden (Az. 10 A 6959/05).

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Sollte es Bestand haben, dürfte dies bundesweit von den interessierten Kreisen interessiert zur Kenntnis genommen werden

09.05.2006

Was muß ein Verteidiger alles für seinen Mandanten tun?

Sicherlich eine ganze Menge. Aber ein wichtiger Punkt wurde durch das OLG Hamm nun klargestellt:

"Zu den Aufgaben eines Verteidigers zählt nämlich nicht die Versorgung der Haustiere seiner Mandanten."

Den vollständigen Beschluß kann man hier lesen.

Immerhin, eine drängende Sorge weniger!

02.05.2006

Vier Strafverteidiger: Einstweilige Verfügung gegen 1 & 1

Das LG Berlin hat die Firma 1 & 1 im Wege der einstweiligen Verfügung verpflichtet, die Adresse zum blog der Vier Strafverteidiger wieder freizugeben.

Näheres dazu hier im blog von RA Carsten Hoenig.

kostenloser Counter