01.06.2006

Steuerberater müssen Freiberufler auf die Möglichkeit zur Einspruchseinlegung gegen Steuerbescheide hinweisen

Steuerpflichtige können gegen einen Gewerbsteuermessbescheid mit dem Argument vorgehen, dass sie Freiberufler sind. Gleichzeitig können sie aber auch die gegen sie festgesetzte Einkommensteuer anfechten, um Rückstellungen wegen der Gewerbsteuer steuermindernd geltend zu machen. Steuerberater müssen ihre Mandanten auf diese Möglichkeit hinweisen. Anderenfalls können sie wegen der Verletzung ihrer Pflichten aus dem Beratungsvertrag zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet sein.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Diplom-Kaufmann und seit 1989 selbständig tätig. Sein Tätigkeitsschwerpunkt ist die Auswahl und Vermittlung von Führungskräften für Unternehmen. Die Beklagte hatte den Kläger in der Zeit von 1990 bis 1997 steuerlich beraten.

Das Finanzamt behandelte die Einkünfte des Klägers aus der Führungskräftevermittlung zunächst gemäß § 18 EStG als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Nach einer Betriebsprüfung gelangte das Finanzamt jedoch zu dem Ergebnis, dass die Einkünfte des Klägers aus den Jahren 1990 bis 1993 als solche aus Gewerbebetrieb einzustufen seien, und setzte entsprechende Gewerbesteuermessbeträge fest. Die hiergegen vom Kläger eingelegten Rechtsbehelfe hatten in allen finanzgerichtlichen Instanzen keinen Erfolg.

Der Kläger verlangte die Feststellung, dass die Beklagte für den ihm durch die fehlerhafte Beratung entstandenen Schaden haftet. Sie habe die vom Finanzamt geänderten Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1990 bis 1993 nicht angefochten. Mit einer Anfechtung hätte der Kläger aber wenigstens im Weg hilfsweise zu bildender Gewerbesteuerrückstellungen die Herabsetzung der Einkommensteuerlast erreichen können. Seine Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Berufungsgericht begründete seine abweisende Entscheidung damit, dass der Kläger sich nicht einerseits auf seine Freiberuflichkeit habe stützen und andererseits habe geltend machen können, dass er als Gewerbetreibender Rückstellungen habe bilden dürfen.

Der BGH hob das Urteil des Berufungsgerichts auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Die Beklagte ist dem Kläger zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der ihm dadurch entstanden ist, dass die Einkommensteuerbescheide für den Veranlagungszeitraum von 1990 bis 1993 nicht angefochten wurden.

Steuerberater sind im Rahmen ihres Beratungsauftrags verpflichtet, ihre Mandanten umfassend und ungefragt über alle relevanten steuerlichen Einzelheiten zu beraten. Damit musste die Beklagte den Kläger auch dahingehend beraten, dass er gegen die betreffenden Bescheide Einspruch einlegt. Hätte der Kläger Einspruch eingelegt, hätte die Berücksichtigung von Gewerbesteuerrückstellungen in der Gewinnermittlung nach § 4 Abs.1 EStG durch Betriebsvermögensvergleich unstreitig zu einer Verringerung des zu versteuernden Einkommens des Klägers und damit auch zu einer Verringerung seiner Einkommensteuerlast geführt.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Klage auch nicht deswegen unbegründet, weil der Kläger sich nicht einerseits auf seine Freiberuflichkeit stützen und andererseits geltend machen durfte, dass er als Gewerbetreibender Rückstellungen habe bilden können. Gemäß § 347 Abs.1 Nr.1 AO kann der Steuerpflichtige sowohl gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide als auch gegen die Gewerbesteuermessbescheide Einspruch einlegen. Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer und bei der Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags handelt es sich um zwei selbständige Verfahren. Das Finanzamt ist in seiner Beurteilung in dem einen Verfahren nicht an diejenige in dem anderen Verfahren gebunden. Die Einkommensteuerveranlagung ist daher nicht bindend für die Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung und umgekehrt.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BGH veröffentlicht.
  • Für den Volltext klicken Sie bitte hier.

Quelle: BGH online

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