Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat hat entschieden,
dass die ordentliche Kündigung eines Girovertrags nach Nr. 19 Abs. 1
AGB-Banken 2002 nicht voraussetzt, dass eine private Bank
eine Abwägung ihrer Interessen an einer Beendigung des
Vertragsverhältnisses mit den Interessen des Kunden an dessen
Fortbestand vornimmt.
Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Bücher
und Zeitschriften vertreibt, unterhielt bei der beklagten privaten Bank
seit September 2006 ein Girokonto, das sie für ihren
Geschäftsverkehr nutzte. Ihrer Vertragsbeziehung zur Beklagten lagen
deren Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken 2002) zugrunde, die
unter anderem folgende Klausel enthielten:
"19.Kündigungsrechte der Bank
(1) Kündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist
Die Bank kann die gesamte Geschäftsverbindung oder einzelne
Geschäftsbeziehungen, für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende
Kündigungsregelung vereinbart ist, jederzeit unter Einhaltung
einer angemessenen Kündigungsfrist kündigen (zum Beispiel den
Scheckvertrag, der zur Nutzung von Scheckvordrucken berechtigt). Bei der
Bemessung der Kündigungsfrist wird die Bank auf die
berechtigten Belange des Kunden Rücksicht nehmen. Für die Kündigung
der Führung von laufenden Konten und Depots beträgt die Kündigungsfrist
mindestens sechs Wochen.
[…]"
Die Beklagte teilte der Klägerin unter dem 22. Juli 2009 mit, sie
sehe sich "aus grundsätzlichen Erwägungen" nicht mehr in der Lage, die
Kontoverbindung mit der Klägerin aufrecht zu erhalten, und
kündigte mit einer sechswöchigen Kündigungsfrist.
Mit ihrer in beiden Vorinstanzen erfolglosen Klage begehrt die Klägerin festzustellen, der Girovertrag bestehe fort.
Der XI. Zivilsenat hat auf die vom Berufungsgericht zugelassene
Revision das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen
Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückverwiesen. Dabei waren im Wesentlichen folgende Überlegungen
für seine Entscheidung maßgeblich:
Im Ergebnis richtig hat das Berufungsgericht angenommen, mittels Nr.
19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 sei ein ordentliches Kündigungsrecht wirksam
vereinbart, auch wenn die Bestimmung der Beklagten
nicht abverlangt, ihr Interesse an einer Vertragsbeendigung mit dem
Interesse der Klägerin an der Fortführung des Vertrages abzuwägen. Nr.
19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 hält einer Inhaltskontrolle
stand.
Auch ist die Ausübung des Kündigungsrechts auf der Grundlage der Nr.
19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 im konkreten Fall nicht verbots- oder
treuwidrig gewesen. Insbesondere statuiert das vom Grundsatz
der Privatautonomie beherrschte bürgerliche Recht keine über eine
mittelbare Drittwirkung des allgemeinen Gleichheitssatzes begründbare
allgemeine Pflicht zur gleichmäßigen Behandlung, hier bei
der Ausübung eines vertraglich vereinbarten ordentlichen
Kündigungsrechts. Entsprechend oblag es der Beklagten nicht, eine
Ungleichbehandlung der Klägerin im Verhältnis zu anderen Kunden mittels
einer Angemessenheits- oder Verhältnismäßigkeitsprüfung sachlich zu
rechtfertigen. Der konkrete Fall bietet auch keine Besonderheiten, die
eine Kündigung als rechtsmissbräuchlich bzw. als
schikanös oder eine Kündigungsfrist von sechs Wochen als zu kurz
bemessen erscheinen lassen.
Die Sache ist jedoch noch nicht entscheidungsreif, weil das
Berufungsgericht, anstatt aufzuklären, ob die Beklagte - wie von der
Klägerin bestritten - bei Erklärung der Kündigung mit Schreiben
vom 22. Juli 2009 wirksam vertreten war, die Klageerwiderung als
erneute Kündigung interpretiert hat. Dabei hat es deren Wortlaut
überdehnt. Der XI. Zivilsenat hat die Sache deshalb zur Prüfung
der Vertretungsverhältnisse an das Berufungsgericht zurückgegeben.
Urteil vom 15. Januar 2013 - XI ZR 22/12
LG Bremen - Urteil vom 6. Januar 2011 - 2 O 2150/09
Hanseatisches OLG Bremen - Urteil vom 9. Dezember 2011 - 2 U 20/11 (veröffentlicht: WM 2012, 1239 ff.)
(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 15.01.2013)
Bernd Eickelberg
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht
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