14.06.2006

BVerfG: Gerichtsgebühr für Dauerpflegschaft

Pressemitteilung Nr. 51/2006 vom 13. Juni 2006

Gerichtsgebühr für Dauerpflegschaft, die sich auf
Personensorge beschränkt, darf sich nicht unbegrenzt
nach dem Vermögen des Betroffenen bemessen

Der Entscheidung liegt der Fall einer gerichtlich angeordneten
Dauerpflegschaft für die Bereiche Aufenthaltsbestimmung und medizinische
Heilbehandlung zu Grunde. Nach § 92 Abs. 1 und Abs. 2 KostO werden die
Gerichtsgebühren für Dauerbetreuungen und -pflegschaften gestaffelt nach
dem Vermögen des Betroffenen berechnet. Auf der Grundlage dieser
kostenrechtlichen Vorschrift hatte das Amtsgericht im vorliegenden Fall
die Gebühren für die Jahre 1992 bis 1994 auf jeweils 24.950 DM
festgesetzt. Der Berechnung lag als Geschäftswert das Vermögen des
Betroffenen in Höhe von 25 Millionen Deutsche Mark zugrunde.

Auf die Verfassungsbeschwerde hin hat der Erste Senat des
Bundesverfassungsgerichts die Gebührenregelung des § 92 Abs. 1 und Abs.
2 KostO für verfassungswidrig erklärt. Die Vorschrift ist mit dem
Gleichheitssatz unvereinbar, soweit sie für die Berechnung der
Gerichtsgebühren auch bei Pflegschaften, die sich auf die Personensorge
beschränken, unbegrenzt das reine Vermögen zugrunde legt. Für den Erlass
einer Neuregelung steht dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 30. Juni 2007
zur Verfügung. Auf Sachverhalte, bei denen die Erhebung von Gebühren für
Fürsorgemaßnahmen mit vermögensrechtlichen Bezügen vorgesehen ist, ist
die Gebührenregelung bis zu diesem Zeitpunkt weiter anzuwenden. Für die
gerichtliche Tätigkeit bei Fürsorgemaßnahmen, die ausschließlich die
Personensorge betreffen, ist für die Dauer der Übergangszeit die für
nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten geltende Regelung des § 30 Abs.
3 und Abs. 2 KostO entsprechend anzuwenden. Nach dieser Vorschrift ist
der Geschäftswert nach freiem Ermessen zu bestimmen. Bei fehlenden
Anhaltspunkten für eine Schätzung ist der Wert regelmäßig auf 3.000 Euro
anzunehmen; er darf 500.000 Euro nicht überschreiten.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Eine Ausrichtung der Gebühren für entstandene Gerichtskosten an der Höhe
des Vermögens ist bei solchen Dauerbetreuungen und -pflegschaften
sachlich gerechtfertigt, die Vermögensangelegenheiten betreffen. Mit
einem erhöhten Wert des Vermögens des Gebührenpflichtigen steigt
typischerweise auch der Bearbeitungsaufwand des Gericht für die
Kontrolle der das Vermögen betreffenden Fürsorgemaßnahmen. Überdies
rechtfertigt das gesteigerte Haftungsrisiko des Staates bei hohen
Vermögenswerten eine nach dem Vermögen orientierte Staffelung der
Gebühren.

In Fällen der alleinigen Personensorge dagegen führt ein höheres
Vermögen regelmäßig nicht zu Unterschieden im Umfang der staatlichen
Leistung. Entsprechendes gilt in diesen Fällen für die Haftung bei
möglichen Fehlentscheidungen von Amtswaltern. Bei vermögenden
Betroffenen ist der Staat hier grundsätzlich keinen höheren
Haftungsrisiken ausgesetzt als bei weniger vermögenden Betroffenen.

Angesichts der erheblichen Unterschiede zwischen den gerichtlichen
Leistungen bei Dauerbetreuungen und -pflegschaften mit Vermögensbezug
einerseits und andererseits bei solchen, die sich allein auf die
Personensorge beziehen, darf der Gesetzgeber bei letzteren die
Gerichtsgebühren nicht ausschließlich an der Höhe des Vermögens
bemessen, ohne wegen des vom Vermögen unabhängigen Aufwandes eine
Begrenzung vorzunehmen. Die Gebührenregelung verstößt daher gegen den
Gleichheitssatz.


Zum Beschluss vom 23. Mai 2006 – 1 BvR 1484/99

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