BGH: Untersuchungshaft regelmäßig kein Strafzumessungsgrund
Der Bundesgerichtshof hat in einer Urteil vom 14.06.2006 (Az. : 2 StR 34/06) klargestellt, daß verbüßte Untersuchungshaft regelmäßig kein Strafzumessungsgrund ist. Er führt in der genannten Entscheidung dazu aus:
"1. Die Revision macht zu Recht geltend, dass die Verbüßung von Untersuchungshaft grundsätzlich nicht zu einer Strafmilderung führt (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 18, 20; BGH NStZ 2005, 212; NStZ-RR 2005, 168, 169; wistra 2001, 105; BGH bei Detter NStZ 2005, 500; Urteile vom 17. August 2004 - 5 StR 197/04 - und vom 13. Februar 2001 - 1 StR 565/00; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 46 Rdn. 72; Schäfer, Praxis der Strafzumessung, 3. Aufl. Rdn. 434; Tolksdorf in Festschrift für Stree und Wessels, 1993, S. 753, 756; a. A. zur Berücksichtigung der Untersuchungshaft bei der Strafrahmenwahl BGH StV 1993, 245). Zwar sind überdurchschnittliche Belastungen, die dem Täter durch das Verfahren als solches entstehen, bei der Strafzumessung zu seinen Gunsten durchaus zu berücksichtigen (vgl. Schäfer a.a.O.) Dass der Täter in der zur Verhandlung anstehenden Sache Untersuchungshaft erlitten hat, ist bei der Verhängung einer Freiheitsstrafe aber regelmäßig ohne Bedeutung, denn die Untersuchungshaft wird nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet. Untersuchungshaft kann deshalb allenfalls dann mildernde Wirkung zukommen, wenn keine ohnehin zu verbüßende Freiheitsstrafe verhängt wird oder wenn besondere Umstände hinzutreten. Der Vollzug von (anrechenbarer) Untersuchungshaft stellt an sich keinen Nachteil für den Angeklagten dar. Aber auch wenn eine Freiheitsstrafe (nur) deshalb zur Bewährung ausgesetzt werden kann, weil der Angeklagte durch den Vollzug der Untersuchungshaft hinreichend beeindruckt ist, verbietet sich eine zusätzliche mildernde Berücksichtigung bei der Bemessung der Strafhöhe (vgl. Schäfer a.a.O.).
Soweit der Bundesgerichtshof den Vollzug von Untersuchungshaft als strafmildernden Gesichtspunkt gebilligt hat, ist dies im Zusammenhang mit anderen Umständen geschehen, etwa einer überlangen Verfahrensdauer (BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 18; Urteile vom 29. Juni 2005 - 1 StR 149/05 - und vom 1. März 2005 - 5 StR 499/04), besonderen persönlichen Verhältnissen (Urteil vom 13. Februar 2001 - 1 StR 565/00), einer den Angeklagten besonders belastenden Ungewissheit (Urteil vom 11. Januar 2000 - 1 StR 579/99) oder der Tatsache, dass der noch nie inhaftierte Angeklagte durch die Untersuchungshaft besonders zu beeindrucken war (Urteil vom 21. Dezember 1993 - 5 StR 683/93). Weitere mit dem Vollzug der Untersuchungshaft verbundene besondere Nachteile für einen Angeklagten können beispielsweise das Auftreten einer Haftpsychose sein (vgl. BGH StV 1984, 151), bei einem Ausländer ohne familiäre Bindung in Deutschland oder bei fehlenden Kenntnissen der deutschen oder einer sonst verbreiteten Sprache ein daraus folgender Mangel sozialer Kontakte, oder Haftbedingungen, die über die üblicherweise mit Untersuchungshaft verbundenen Beeinträchtigungen hinaus besondere Erschwernisse enthalten (vgl. Senatsurteil vom 16. November 2005 - 2 StR 296/05). Will der Tatrichter wegen besonderer Nachteile für den Angeklagten den Vollzug der Untersuchungshaft mildernd bei der Strafzumessung berücksichtigen, müssen diese Nachteile in den Urteilsgründen dargelegt werden. Daran fehlt es hier. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die insgesamt milden Strafen auf der fehlerhaften Wertung der Untersuchungshaft beruhen."
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